Veränderung der Verlagslandschaft
Im Bereich der Akkordeonliteratur hat sich die Verlagslandschaft in den zurückliegenden 30 Jahren drastisch verändert. Im positiven oder negativen Sinne? Gewiss eine nicht einfach zu beantwortende Frage, denn es gibt dabei vielerlei Entwicklungen, die auf ganz unterschiedliche Weise auf das heutige Verlagswesen einwirken.
Hatten über einen sehr langen Zeitraum fast ausschließlich die großen Verlage das Sagen, so ist dies inzwischen nicht mehr uneingeschränkt der Fall. Sehr viele kleine Verlage tummeln sich nun auch auf dem Verlagsfeld und möchten durch ihre Arbeit ebenso beachtet werden, wie die traditionsreichen Schwergewichte der Branche. Kann so etwas überhaupt gelingen? Vor allem das Medium Internet schafft auch für kleine Verlage eine sehr gute Möglichkeit, in dem heutigen Verlagsdickicht „gefunden“ zu werden.
Doch genügt das? Wenn man den geflügelten Spruch „Konkurrenz belebt das Geschäft“ bemüht, so möchte man meinen, dass der Neue im Geschäft, also der Konkurrent, eine bessere Lösung hat – eine höhere Qualität anstrebt – neue Ideen bringt – sich in irgendeiner Weise positiv abhebt von dem, was es bereits am Markt gibt.
Bezogen auf den Akkordeon-Notenmarkt stellt man leider fest, dass manchmal genau das Gegenteil der Fall ist. Der vermeintliche Konkurrent, im heutigen Sprachgebrauch eher als Mitbewerber bezeichnet, ist in einigen Fällen nur ein „Mitläufer“. Manchmal ohne eigene Ideen – dafür aber gut im Kopieren von Ideen. Manchmal ohne qualitative Ambitionen – dafür aber bedacht auf eine hohe Zahl an Neuerscheinungen.
Die Besitzer der kleinen Verlage sind meist nah am Geschehen, das heißt, sie kommen eher aus der musikalischen Ecke, haben oft ein abgeschlossenes Musikstudium, bringen also hohe Kenntnisse rund um die Musik mit. Dadurch liegt die Priorität manchmal zu sehr auf der musikalischen Seite. (In Vernachlässigung der geschäftlichen Seite.)
Da die kleinen Verlage alle noch relativ jung sind, ist die Verlagsarbeit zumeist nicht die Haupteinnahmequelle, sondern erwächst eher aus der musikalischen Überzeugung heraus, sich auf bestimmten musikalischen Feldern des Verlagswesens zu engagieren. Durch „Print on Demand“, also dem Drucken nach Bedarf ist der Platzbedarf (Lagerplatz für Notenausgaben) kleiner geworden beziehungsweise erst gar nicht entstanden. Auch oder gerade deshalb ist es vielen Anfängern der Branche möglich, zunächst ohne finanziellen Einsatz in diesem Bereich zu starten. (… und es werden immer mehr!)
Für den „Notenkonsumenten“, also den Musikschüler, Musiklehrer, Hobbyspieler … ist diese Entwicklung der vielen kleinen Verlage mit Sicherheit eine Bereicherung, da eine größere Auswahl an Noten zur Verfügung steht. Doch im gleichen Atemzug bedeutet die Vielzahl an Verlagen auch, dass eine regelrechte Unüberschaubarkeit entstanden ist. Musikausübende werden förmlich überschwemmt mit Informationen und neuen Noten. Dadurch entsteht im Umkehrschluss für jeden der kleinen Verlage zwangsläufig eine schwierige wirtschaftliche Position am Notenmarkt.
Aufgaben des Verlages
Ein (Akkordeon-) Verlag, der Notenausgaben herstellt, kann – je nach Kompetenz und Marktaufstellung – für viele Bereiche zuständig sein. In der pädagogischen Spielliteratur für Kinder, Jugendliche und Erwachsene, im Solo-, Duo-, Kammermusik-, Orchesterbereich, in den Bereichen U- (Unterhaltungs-) Musik und E- (ernste) Musik. Der Verlag kann Originalmusik herausgeben, also eigens für das Instrument komponierte Musik, oder Bearbeitungen aus der klassischen Musik, bzw. Arrangements bekannter Titel aus Rundfunk und Fernsehen. Für Akkordeon mit Standardbass (MII) oder Akkordeon mit Melodiebass (MIII).
In allen Bereichen – so wird wohlwollend unterstellt – verfolgt der jeweilige Verlag die Absicht, hochwertige Notenausgaben herzustellen. Dies mit dem für die jeweilige Sparte höchsten Maß an künstlerischer Qualität, editorischer Professionalität und hoher musikalischer Wertigkeit. Schließlich möchte der Verlag den bestmöglichen Zugang zur Musik durch den Ausübenden und somit dem Notenausgaben konsumierenden Musikanten herstellen. Dabei wird sich in jedem Verlag ein gewisser Schwerpunkt seiner Verlagsarbeit herausbilden.
Am Anfang steht die Komposition
Vor der Produktion- und Veröffentlichungsphase steht die schöpferische Phase. Ein Komponist schreibt ein Stück. Beflügelt von „seiner“ Idee macht sich der Komponist ans Werk, seine Grundidee zu entwickeln und auf Papier zu bringen. Im Bereich Akkordeonliteratur sind die Komponisten nicht selten Leute aus den eigenen Reihen, die in der Regel bestens mit dem Akkordeon vertraut sind und somit die Eigenheiten des Instruments kennen.
Viele Komponisten arbeiten mit professionellen Notensatzprogrammen und stellen den Verlagen ihre Kompositionen teilweise als fertigen oder weiter zu verarbeitenden Notensatz zur Verfügung. In diesem Fall bleibt dem Verlag ein beträchtlicher Teil der Satzarbeit erspart, dafür kann das neue Werk zügiger erscheinen und der Verlag kann sich auf andere Arbeitsschritte konzentrieren.
Bearbeitungen aus der klassischen Musik
Ein musikalisches Werk ist bis 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers urheberrechtlich geschützt. Nach Überschreiten dieses Zeitraumes darf grundsätzlich alles ohne Genehmigung bearbeitet werden. Das heißt: der Verlag/Bearbeiter muss nirgendwo eine Zustimmung einholen, um ein Werk zu bearbeiten und heraus zu geben, dessen Komponist über 70 Jahre tot ist, weil nach 70 Jahren der urheberrechtliche Schutz erlischt.
Hierdurch ergibt sich innerhalb der Musik aus vielen Jahrhunderten – rein urheberrechtlich gesehen – die Möglichkeit, für diverse Besetzungen mit dem Akkordeon problemlos Werke alter Meister zu bearbeiten.
Auf den ersten Blick eine schier unglaubliche Anzahl an Werken verschiedener Epochen. Doch gerade wegen dieser Vielzahl an Werken ist es keine leichte Aufgabe für den Bearbeiter, eine Komposition zu finden, die auf dem Akkordeon klangvoll und glaubwürdig wiedergegeben werden kann.
In den Akkordeon-Orchestern besteht der ungebrochenen Wunsch, bekannte Titel nachzuspielen. Zum einen macht es den Spielern Spaß, aktuelle Titel aus Pop, Rock, Jazz oder Schlager und Oldies etc. zu spielen. Aber auch die verwöhnen Zuhörer erwarten Melodien, die sie kennen und die ihnen „ihr“ vertrautes Akkordeon-Orchester zum Besten gibt. Hierfür müssen die Akkordeon-Verlage zuerst die Abdruckrechte der jeweiligen Stücke kaufen. Nicht selten dauert es sehr lange von der Anfrage des Akkordeons-Verlages bis zur Genehmigung der Abdruckrechte durch den Originalverlag. Dies ist mit Zeitaufwand und Schriftwechsel verbunden. Außerdem muss der Akkordeon-Verlag an den Originalverlag einen vertraglich festgelegten prozentualen Anteil am Verkaufspreis und eine Einmalzahlung als „Abdruckrecht“ bezahlen. Je nach Titel ist dies manchmal auch ein Nullsummen- spiel für den Akkordeon-Verlag.
Verlagsvertrag und GEMA-Anmeldung
Das vom Komponisten geschaffenen Werk wird vom Verlag veröffentlich, deshalb wird ein so genannter Verlagsvertrag zwischen Verlag und Komponist geschlossen. In diesem Vertrag werden die in der Branche üblichen Klauseln schriftlich festgehalten, unter anderem auch die Beteiligung des Komponisten an den Erträgen der verkauften Notenexemplare. Da der Verlag GEMA-Mitglied ist, meldet er die neu entstandene Komposition bei der GEMA an. Die GEMA (Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte) vergibt dem neuen Werk eine Datenbankwerknummer, unter der dieses ab sofort registriert ist. Wenn nun das neue Werk in einem Konzert oder einer sonstigen Veranstaltung öffentlich aufgeführt (und die Veranstaltung bei der GEMA gemeldet!) wird, erhalten Komponist und Verlag eine nach einem bestimmten Verteilungsschlüssel festgelegte Tantiemen-Ausschüttung, deren Höhe wiederum von verschiedenen Parametern der GEMA-internen Leistungskataloges abhängen.
Nach Erhalt der Komposition wird der Verlag aktiv. Wenn die Komposition handschriftlich in Manuskriptform eingereicht wurde, muss als erstes der Notensatz erstellt werden. Nach Erstellen des Notensatzes erhält der Komponist zunächst einen Korrekturabzug, den er nach Korrekturlesen wieder an den Verlag sendet. An dieser Stelle sei erwähnt, dass es hier bereits Unterschiede in der Ausführung (und Nichtausführung) von Korrekturen bei den Verlagen gibt. Halten sich die Fehler in Grenzen, ist es mit einem Korrekturabzug getan, und die Komposition kann in den Druck gehen. War jedoch eine Vielzahl von Fehlern vorhanden, so erhält der Komponist einen zweiten Korrekturabzug, den er erneut auf Fehler durchsucht. Dieses Procedere kann von Fall zu Fall durchaus noch häufigere Briefwechsel zwischen Komponist und Verlag mit sich führen. Sind Verlag und Komponist der Meinung, dass nun keine Fehler mehr zu finden sind, kann das musikalische Werk in Druck gehen.
Natürlich braucht unsere neue Verlagsausgabe noch einen Namen, eine Verlagsnummer und einen Umschlag. Entscheidet sich der Verlag für einen einfarbigen Karton als Umschlag, auf den nur noch in schwarzer Farbe der Name des Titels und die sonst üblichen Angaben aufgedruckt werden, ist die Notenausgabe relativ einfach und schnell hergestellt. Möchte der Verlag allerdings einen vierfarbigen Umschlag für seine neue Verlagsausgabe und somit einige grafische Register ziehen, um auch optisch eine ansprechende Ausgabe zu erhalten, kommt ein weiterer Kostenfaktor ins Spiel. Ein Grafiker erstellt nach den Wünschen des Verlages verschiedene Umschlagsentwürfe. Aus diesen Entwürfen sucht sich der Verlag den seiner Meinung nach „schönsten“ aus und beauftragt den Grafiker, das endgültige Layout zu erstellen.
Bei Ausgaben, die keine hohe Auflage haben, ist das „Print on Demand“-Verfahren eine gute und wirtschaftlich vernünftige Lösung, bei der es keine Lagerhaltung und auch kein finanzielles Risiko in Form von „zu viel“ hergestellter Ausgaben gibt. (Der Zeiteinsatz, diese speziellen und damit wenig verkauften Ausgaben herzustellen, steht für den Verlag dennoch in keinem Verhältnis zum Ertrag.) Meist hat der Verlag einen sehr guten Drucker, auf dem diese Ausgaben hergestellt werden (zumindest das Innenleben). Das Druckverfahren beim Vierfarb-Umschlag kann Offsetdruck, Digitaldruck oder auch eine anderes Verfahren sein. Hierzu muss der Verlag eine Druckerei beauftragen. Bei Ausgaben mit hoher Auflage wird meist die gesamte Ausgabe von einer Druckerei erstellt.
Die Werbung
Eine nicht zu unterschätzende (auch finanzielle) Größe im Verlagswesen ist die Werbung:
- Inserate in Fachzeitschriften, Programmheften und anderen Papiermedien
- Das Erstellen eigener Verlagskataloge ist in den letzten Jahren aus verschiedenen Gründen stark zurückgegangen oder wurde ganz eingestellt, doch regelmäßiges Bewerben neuer Ausgaben mit aktuellen Flyern ist nach wie vor gängige Praxis
- Das Versorgen der Großhändler mit den aktuellsten Daten von Neuerscheinungen
- Notenausstellungen bei Wettbewerben oder Workshops
- Die Einbindung sozialer Medien wie z. B. Facebook
- Audio-Aufnahmen von Hörproben, die Weiterverarbeitung für Plattformen wie YouTube, eine laufende und Zeit raubende Arbeit
- und nicht zuletzt die zeitintensivste Werbung: die eigene Homepage, die je nach Anspruch des Verlages immer auf dem neuesten Stand zu halten ist – die also damit „lebendig“ bleibt, dass sie ständig aktualisiert, erweitert und gepflegt wird.
Abschließend betrachtet ist die Verlagsarbeit heute eine sehr zeit- und arbeitsintensive Angelegenheit. Der (wahre) Erfolg der Verlagsarbeit kommt in der Regel erst nach einigen Jahren an Vorleistung zum Vorschein. Der Komponist und auch der Verlag brauchen einen langen Atem, um den eventuellen Erfolg für eine gemeinsame Arbeit genießen zu dürfen. Es soll hier nicht unerwähnt bleiben, dass das (unerlaubte) Kopieren von Noten die normale Entwicklung des Verlagsgeschehens zusätzlich bremst.
Dennoch wird es selbst in dieser von vielen Umbrüchen geprägten Zeit immer neue Ideen und Impulse für unser Instrument – das Akkordeon – geben.